Erweitertes polizeiliches Führungszeugnis im Bereich der Arbeit mit Menschen mit Behinderung.

Sie hatten sich aus unterschiedlichen Einrichtungen mit der Frage an die DiAG-MAV Geschäftsstelle gewandt:
Kann der Dienstgeber ein erweitertes Führungszeugnis ohne vorherige Zustimmung der MAV von seinen Mitarbeitern einfordern bzw. von neu einzustellenden Bewerbern, wenn die Einrichtung nicht der Versorgung, Erziehung oder Betreuung von Kindern und Jugendlichen zuzuordnen ist.

Stand der politischen Debatte.
2009 beschloss die  Arbeits- und Sozialministerkonferenz (ASMK) eine Arbeitsgruppe mit dem Auftrag einzusetzen, die Schutzvorschriften für Menschen mit Behinderung auf Verbesserungen des Persönlichkeitsschutzes zu prüfen. In diesem Zusammenhang soll ebenfalls geprüft werden, ob die besonderen Schutzvorschriften für Kinder und Jugendliche bezüglich der sexuellen Übergriffe durch Betreuungs-, Erziehungs- und Pflegepersonal  auch für Menschen mit Behinderung übernommen werden sollen.
Die Arbeitsgruppe der Arbeits- und Sozialministerkonferenz wird die Ergebnisse ihrer Arbeit voraussichtlich Ende Oktober der Konferenz vorlegen.
(Auskunft der Geschäftsstelle der ASMK-Geschäftsstelle, Frau Katharina Ortmann, Sächsisches Staatsministerium für Soziales und Verbraucherschutz, Albertstraße 10, 01097 Dresden, Telefon0351- 5 64 56 89)

Formen und Inhalte von polizeilichen Führungszeugnissen
Das Bundeszentralregister(BZRG) kennt seit dem 01.05.2010 insgesamt 3 Formen des Führungszeugnisses; so gibt es das „normale“ Führungszeugnis (§30Abs.1 BZRG), ein Führungszeugnis für Behörden (§30 Abs.5 BZRG) sowie seit dem 1.5.2010 das sog. „erweiterte Führungszeugnis“ (§§30a, 31 Abs.2 BZRG). Diese einzelnen Arten unterscheiden sich hinsichtlich der Eintragungen, die aus dem Führungszeugnis hervorgehen.
Der Inhalt eines Führungszeugnisses richtet sich zunächst nach §32 Abs.1 BZRG, wonach die in den §§ 4 bis 16 BZRG bezeichneten Eintragungen in das Bundeszentralregister – hierzu zählen beispielsweise strafgerichtliche Verurteilungen – aufgenommen werden; Abs. 2 enthält wiederum einen Katalog von Eintragungen, die in ein normales Führungszeugnis nicht aufgenommen werden, wobei hierfür die (Rück-)Ausnahmen des §32 Abs.1 S.2 BZRG gelten. Schließlich enthalten die Abs. 3 – 5 des §32 BZRG weitergehende Rückausnahmen zu Abs.2.

„Normales Führungszeugnis“
Der Normalfall dürfte das „normale“ Führungszeugnis sein, wonach bestimmte Eintragungen, die das Bundeszentralregister enthält, nicht in das Führungszeugnis aufzunehmen sind.
Die wichtigste Ausnahme dürfte hierbei §32 Abs.2 Nr. 5. Demnach wird eine Verurteilung, durch die auf Geldstrafe von nicht mehr als neunzig Tagessätzen bzw. Freiheitsstrafe oder Strafarrest von nicht mehr als drei Monaten erkannt worden ist und wenn im Register keine weitere Strafe eingetragen ist, nicht in das Führungszeugnis aufgenommen. Eine ähnliche Ausnahme enthält §32 Abs. 2 Nr. 6 für die Fälle, in denen es sich aus dem Register ergibt, dass die überwiegenden Taten infolge einer Betäubungsmittelabhängigkeit begangen wurden; hinsichtlich der einzelnen Voraussetzungen darf ich Sie auf die Norm verweisen.
Ein Arbeitgeber würde also in diesen Fällen nicht erfahren, dass Sie hinsichtlich einer Straftat entsprechend verurteilt wurden. Hierbei ist jedoch unbedingt zu beachten, dass bereits die Ausnahmen des Abs.2 Nr. 3 – 9 nicht galten, soweit die Verurteilung wegen §§174 – 180; 182 StGB (Straftaten gegen die sexuelle Selbstbestimmung) erfolgte; diese Eintragungen in das Register wurden stets in das Führungszeugnis – unabhängig von der Art – aufgenommen, so dass ein Arbeitgeber auch hiervon stets Kenntnis erlangen würde. 

b) „Führungszeugnis zur Vorlage bei einer Behörde“
Weiterhin erhalten Behörden unter den Voraussetzungen des §31 BZRG Einsicht in ein entsprechendes Führungszeugnis. Hierbei ist zu beachten, dass dieses im Vergleich zum obigen erheblich umfangreicher ausfallen kann, da §32 Abs.3 und Abs.4 den Katalog der aufzunehmenden Eintragungen wieder erweitert. Das bedeutet konkret, dass eine Eintragung zwar eigentlich nicht aufzunehmen wäre (§32 Abs.2 BZRG), in diesem Sonderfall nach Abs.3 oder Abs.4 jedoch trotzdem im Führungszeugnis aufgenommen wird. Ein Arbeitgeber aus der Privatwirtschaft hat keinen Anspruch auf ein solches Führungszeugnis.

c) „Erweitertes Führungszeugnis“
Mit Wirkung zum 01.05.2010 wurde nun das sog. „erweiterte Führungszeugnis“ durch §32 Abs. 5 BZRG eingeführt, der in bestimmten Fällen weitere Ausnahmen zu § 32 Abs.2 Nr. 3 -9 BZRG enthält. Hierbei handelt es sich um Verurteilen nach §§ 171, 180a, 181a, 183 bis 184f StGB (Straftaten gegen die sexuelle Selbstbestimmung) sowie nach § 225 StGB (Misshandlung von Schutzbefohlenen) und §§ 232 bis 233a, 234, 235 oder § 236 StGB (Straftaten gegen die persönliche Freiheit); hinsichtlich des genauen Textes der Strafnormen wird auf die im Internet verfügbaren Gesetzestexte verwiesen.
Diese Gesetzesänderung wurde nunmehr vorgenommen, da der Gesetzgeber davon ausgeht, dass die Offenbarung der entsprechenden Verurteilungen zum Schutze von Kindern und Jugendlichen unabdingbar ist und den Resozialisierungsgedanken, der sich im § 32 Abs.2 BZRG niedergeschlagen hat, überwiegt.
Wichtig für Sie ist jedoch zu wissen, dass nicht jeder beliebige Arbeitgeber das Recht hat, von Ihnen ein solches erweitertes Führungszeugnis zu verlangen. Vielmehr wird der Personenkreis, der ein solches Führungszeugnis verlangen kann, durch § 30a BZRG klar eingeschränkt; der Anspruch kommt am ehesten in Betracht, wenn der Bewerber im Rahmen seiner Tätigkeit Kontakt zu Minderjährigen hat (vgl. § 30a Abs.1 Nr.2 lit. B), c) BZRG). Bei der Beantragung eines solchen Führungszeugnisses ist zu beachten, dass der Antragsteller eine Erklärung desjenigen, der diese Art von Führungszeugnis verlangt,  beizufügen hat, in der das Vorliegen der Voraussetzungen des §32 Abs.1 BZRG bestätigt wird.

Rechtsgrundlage zur Einholung des Führungszeugnisses
§ 30a Antrag auf ein erweitertes Führungszeugnis BZRG
(1) Einer Person wird auf Antrag ein erweitertes Führungszeugnis erteilt,
1.  wenn die Erteilung in gesetzlichen Bestimmungen unter Bezugnahme auf diese Vorschrift vorgesehen ist oder
2.  wenn dieses Führungszeugnis benötigt wird für
a)  die Prüfung der persönlichen Eignung nach § 72a des Achten Buches Sozialgesetzbuch – Kinder- und Jugendhilfe –,
b)  eine sonstige berufliche oder ehrenamtliche Beaufsichtigung, Betreuung, Erziehung oder Ausbildung Minderjähriger oder
c)  eine Tätigkeit, die in einer Buchstabe b.) vergleichbaren Weise geeignet ist, Kontakt zu Minderjährigen aufzunehmen.
(2) Wer einen Antrag auf Erteilung eines erweiterten Führungszeugnisses stellt, hat eine schriftliche Aufforderung vorzulegen, in der die Person, die das erweiterte Führungszeugnis vom Antragsteller verlangt, bestätigt, dass die Voraussetzungen nach Absatz 1 vorliegen. Im Übrigen gilt § 30 entsprechend.

Aus dem Bundeszentralregistergesetz (BZRG) ist zu entnehmen, dass der verfassungsgemäße Schutz der Persönlichkeit nicht uneingeschränkt bei Arbeitsaufnahme aufgehoben oder begrenzt wird.

Informationen über mögliche Straftaten bzw. das Bereitstellen eines erweiterten Führungszeugnisses können Unternehmen nur von ihren Mitarbeitern verlangen, wenn es sich um ein Beschäftigungsverhältnis handelt, dass in einem, im § 30a BZRG genannten Bereich eingegangen werden soll oder bereits besteht.
 
Zusammenfassend ist somit festzustellen, dass zwar der Katalog der aufzunehmenden Eintragungen in ein Führungszeugnis durch den neuen Abs.5 erheblich erweitert wurde; dies wurde jedoch durch eine entsprechende Eingrenzung des berechtigten Personenkreises der diese Informationen einholen darf wieder entsprechend relativiert.

Mitbestimmungsmöglichkeiten der MAV
Die verschiedenen formularisierten Fragen an einen Arbeitsplatzbewerber, wie aber auch die Einholung eines erweiterten Führungszeugnisses bei bereits beschäftigten Mitarbeitern, fallen unter die Zustimmungsregelungen der MAVO. Die rechtliche Mitbestimmung der MAV bezieht sich im konkreten Fall auf § 36 (1) Nr.: 5 MAVO. Das Zustimmungsverfahren regelt sich nach § 33 MAVO.
Diese Mitbestimmungsmöglichkeit der MAV ist jedoch nicht alleine auf die erstmalige Erstellung von Personalfragebögen abgestellt, sondern auch auf deren Änderungen bis hin zu dienstgeberseitigen Anweisungen, welche den Schutz der Persönlichkeitssphäre der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter betreffen.
Dies könnte dann der Fall sein, wenn der Dienstgeber von den beschäftigten Mitarbeitern der Einrichtung ein erweitertes polizeiliches Führungszeugnis verlangt. Auch dann, wenn eine gesetzliche Verpflichtung des Trägers bezüglich der Einholung eines solchen Nachweises vorliegt, ist das Zustimmungsrecht der MAV zu beachten.
Bezüglich der aktuellen Frage der Einholung von erweiterten Führungszeugnissen im Bereich der Arbeit mit Menschen mit Behinderung besteht für die MAV die Möglichkeit der Zustimmungsverweigerung, da es sich bei dieser Forderung des Dienstgebers gegenüber den Mitarbeitern um eine Einschränkung der Persönlichkeitsrechte handelt, die derzeitig nicht durch gesetzliche Regelungen wie im Bereich der Versorgung, Erziehung und Betreuung von Kindern und Jugendlichen der Fall ist, legitimiert wurde.   
 



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